Oleanna
Timm Thaler
Ein Gärtner kommt
Freiburg Alien City
Zauberer von Oz
Glückliche Zeiten
Myspace Invaders
Oleanna
von David Mamet, Junges Theater Göttingen
Inszenierung: Ina Annett Keppel, Ausstattung: Axel Theune
mit Henrike Richters, Jan Reinharz
Pressestimmen:
Das
Leben des Professors ein Trümmerfeld, Peter Krüger-Lenz, GT, 22.11.12:
John ist Dozent, bald sogar ordentlicher Professor mit Anstellung und Gehalt auf Lebenszeit. 20 Jahre hat er darauf hin gearbeitet, jetzt kann er für sich und seine Familie auch endlich ein Haus kaufen. Der Vertragsabschluss steht kurz bevor, eine Anzahlung ist schon geleistet. Dann tritt Carol in sein Leben und verwandelt es in ein Trümmerfeld. „Oleanna“ heißt das Stück des US-amerikanischen Autors David Mamet, das am Mittwochabend in einer Produktion des Jungen Theaters (JT) Göttingen in einem Hörsaal der Universität Premiere hatte. Für die Inszenierung zeichnet Ina Annett Keppel verantwortlich. Eigentlich ist der Fall doch klar. Das Referat von Carol (Henrike Richters) ist nicht ausreichend, einen Schein kann es dafür nicht geben. Das Buch des Professors (Jan Reinartz) hat sie zwar gelesen, aber ebenso wenig verstanden wie das, was er im Seminar sagt. Vielleicht hätte sie einfach etwas anderes studieren sollen. Oder eine Berufsausbildung beginnen. Doch Carol muss – oder will bestehen. Also redet sie mit John. Der zeigt sich bald einsichtig und will ihr Nachhilfe geben. Carol fühlt sich unterlegen und beginnt, die Machtverhältnisse umzukehren.Ihr Verhalten bekommt psychopatische Züge. Doch so einfach machen es Autor Mamet und Regisseurin Keppel den Zuschauern nicht. Natürlich wirkt Carol zu Beginn nicht eben schlau – das ist die vielleicht einzige Schwäche des Stücks. Denn hinterher nimmt sie John sprachlich messerscharf auseinander. Der Verdacht könnte aufkeimen, das Carol von Anfang an darauf aus war, John zu diskreditieren. Doch genau dieser Eindruckdarf nicht entstehen. Denn hier geht es um die Macht der Sprache, die Bedeutung der eigenen Schutzzone und die Wahrnehmung des Gegenübers. Klar, John will helfen und das auch noch weitgehend uneigennützig. Doch er verletzt Carol, mit dem was er sagt. Er kommt ihr zu nahe, wenn auch erst mal nur mit Worten. Selbst die Wendung „nur mit Worten“ würde Carol als verletzend empfinden. Wie also miteinander kommunizieren, wenn das Verständnis von Sprache und ihrer Macht so weit auseinander liegt? Zum Glück ist es der Regisseurin gelungen, die sprachgewalttätige Auseinandersetzung lange auf einem ganz feinen Grat zu halten, der das Verbrüdern oder Verschwestern mit einem der beiden Protagonisten ganz schwer macht. Erst allmählich vollzieht sich die Erkenntnis, das Carol tatsächlich Gewalt erleidet. Das launige Intellektuellen-Gerede des Professor erscheint mehr und mehr in einem anderen Licht. Bis zu diesem Punkt funktioniert die Inszenierung blendend, weil sie verstört. Denn sie konfrontiert uns mit der eigenen Gedankenlosigkeit, vielleicht sogar mit dem bewussten Ausüben von Macht. Doch wie weit sind wir bereit, Carol bei ihrem Feldzug zu folgen, der immer mehr totalitäre Züge annimmt. Oder ist diese vernichtende Konsequenz vielleicht notwendig, weil Johns Einsichtsfähigkeit lahmt? Und wer aus dem Ensemble des JT soll nun diese beiden Rollen spielen? Henrike Richters natürlich mit ihrer ganzen Verletzlichkeit, die doch so schnell in Aggression umschlagen kann, und Jan Reinartz mit seiner freundlichen Distanziertheit. Das liegt genauso nahe wie die Idee, die Theaterbühne gegen einen leicht antiquierten Hörsaal einzutauschen. Doch gerade im Theater sind die naheliegenden Entscheidungen nicht immer die besten. In diesem Falle allerdings schon. Denn Richters und Reinartz spielen groß auf und tragen ganz wesentlich dazu bei, dass die Inszenierung diesen Realismus behält, der den Konflikt knallhart auf die Zuschauerränge befördert – und dort heftig an die Nieren geht.
Am Ende ist die Gewalt, Carmen Barann, HNA, 23.11.12:
Viel Applaus für eine spannungsgeladene und bewegende Inszenierung (Regie: Ina Annett Keppel, Dramaturgie: Udo Eidinger) und die beiden eindrucksvoll und emotional sehr überzeugend spielenden Darsteller Henrike Richters und Jan Reinartz.
Timm Thaler: oder Das verkaufte Lachen
nach James Krüss, Junges Theater Göttingen
Inszenierung: Ina Annett Keppel, Ausstattung: Steffen Mutschler
mit Constanze Passin, Dirk Böther, Gintas Jocius, Philip Leenders
Pressestimmen:
"Obwohl die Moral nicht nur einmal wiederholt wird, ist bei der Inszenierung an keiner Stelle der erhobene Zeigefinger zu spüren...Viel Zeit wird darauf verwendet, Reichtum als Laster zu enttarnen-im Gegensatz zum Lachen, das "Freiheit von innen" verspricht. Bühnenbild und Kostüme sind schlicht gehalten. Wirkungsvoll werden aber zwei dünne Vorhänge im Spiel mit Licht und Schatten eingesetzt.Trotz aller düsterer Tragik fehlt es dem Stück
nicht an Humor. Vor allem die neun Rollen von Gintas Jocius, darunter
die Bäckersfrau oder ein überdrehter Schulfreund, sorgten für Lacher.
Obwohl das Ende der Geschichte bekannt ist, bleibt es bis zum Finale der
90-minütigen Vorstellung spannend und mitreißend."
HNA, 22.10.2012
"Beeindruckend ist, wie mit kaum vorhandenem
Bühnenbild und Requisite (Ausstattung: Steffen Mutschler) dennoch ein
lebhaftes und unterhaltsames Stück entsteht. Nur Vorhänge markieren die
Übergänge zu anderen Räumen, Telefone werden einfach von der Nebenbühne
angereicht, wenn sie klingeln."
Göttinger Tageblatt, 23.10.2012
Ein Gärtner kommt
von Alan Ayckbourn, Schauspielbühnen Stuttgart
Inszenierung: Ina Annett Keppel, Ausstattung: Isabel Graf
mit Stefanie Stroebele, Axel Weidemann
Pressestimmen:
„ 'Ein Gärtner kommt' bringt scharfe Beobachtungen auf die Bühne und lädt zu einer sarkastischen Reise ins Panoptikum der Lebensmöglichkeiten ein." (StN)
Freiburg Alien City
Die ganze Wahrheit einer grünen Stadt, Theater Freiburg
Inszenierung: Ina Annett Keppel, Ausstattung: Moritz Jüdis
Pressestimmen:
»Das beginnt ganz launig mit originellen Enthüllungen wie dem geheimem Energieaggregat unterm Schauinsland oder dem allzeit eingerüsteten Münsterturm als Ufo-Landeplatz, switcht vom gleichgeschalteten Planeten Zyklon zu bizarren Freiburger Alltagsszenen, lässt interstellare Mischlingskinder zu Wort kommen, präsentiert Quiz und Tänze – und fokussiert so immer mehr die eigentlichen Fragen: Was ist typisch Deutsch? Was ist die Norm? Warum fühlt man sich manchmal wie ein Alien? – Das Ergebnis: Unterschiede gibt es immer, aber Fremdheit wird gemacht. Das ist in all seiner Handgestricktheit flott und frisch und entwickelt sich dank der Alien-Metapher ganz ohne Betroffenheitsgestus zum facettenreichen Plädoyer gegen jede Form von Ausländerfeindlichkeit und Ausgrenzung.« (Badische Zeitung)
Zauberer von Oz
Kinderstück von Nicoletta Talbi, Staatstheater Darmstadt
Inszenierung: Ina Annett Keppel, Bühne und Kostüme: Gesine Kuhn, Musik: Michael Erhard
mit Diana Wolf/Isabell Dachsteiner, Stefan Schuster/Alexander Baab, István Vincze/Jochen Döring, Margit Schulte-Tigges/Judith Achner, Antonio Lallo/Thomas Cermak, Christina Kühnreich/Gabriele Drechsel
Pressestimmen:
„Dorothy im Land der Weihnachtsmärchen, Eva-Maria Magel, FAZ, 25.11.2012:
Überhaupt setzt Regisseurin Ina Annett Keppel darauf, für die Kinder, zumal die jüngeren, witzig und spannend, aber vor allem verständlich und weder zu schnell noch zu laut vorzugehen. Die recht traditionelle Spielweise, mit ein paar Gags für die Erwachesenen gespickt, geht gut auf, auch dank der wendigen Ensemblemitglieder...Weder Dorothys Lebensumstände noch Details der Wanderung hat Talbi bei ihrer auf knapp 70 Minuten gerafften Fassung geschont. Doch nichts wesentliches fehlt, zumal die Bühne und Kostüme(Gesine Kuhn) in gemäßigter Opulenz die gesamte - klassische- Bühnentechnik auskosten: Drehbühne, Glitzerlicht, Falltüren. Damit wirkt sogar der schwächlichste Zauberer wie ein machtvoller Fürst, ohne seine Untertanen in den Zuschauersesseln optisch oder akustisch zu strapazieren."
„Der Zauberer von Oz“: Traumreise ins Selbstbewusstsein, Johannes Breckner, DE, 20.11.2012:
Der
Star der Aufführung heißt Toto und ist aus Plüsch. Dorothy geht
keinen Schritt ohne ihren besten Freund, den sie freundlich mit dem
Schwanz wedeln lässt und der sehr musikalisch zu jaulen versteht.
Mit einem so sympathischen Reisegenossen lassen sich auch die
finsteren Abenteuer überstehen. Dorothy will eigentlich nur nach
Hause, aber weil sie in den Krieg konkurrierender Hexen gerät, führt
die Fantasiereise nur auf Umwegen ins glückliche Ende.
Im
Darmstädter Kleinen Haus werden sie mit Nicoletta Talbis
Bühnenfassung des Klassikers zielstrebig und zügig beschritten.
Nach 70 Minuten ist Dorothy wieder daheim, und das Publikum
applaudiert nach der Premiere am Sonntagmorgen begeistert. Als das
Staatstheater vor zwölf Jahren zum letzten Mal den „Zauberer von
Oz“ auftreten ließ, war zu diesem Zeitpunkt gerade mal der erste
Teil absolviert, und es ging in die Pause. Jetzt macht die Regie von
Ina Annett Keppel Tempo, ohne das liebevoll arrangierte Detail zu
vernachlässigen. Das Talent der Regisseurin für eine stimmige
Komposition aus Bild und Bewegung, Charakter und Komik kommt im
Kindertheater besonders gut zur Geltung. Sie verbündet sich mit
Michael Erhards gelungener Musik, die auch den Bogen schlägt zum
Musical, mit dem das Kinderbuch von L. Frank Baum weltweit bekannt
wurde: Dorothy träumt sich mit dem Song „Over the rainbow“ ins
Fantasieland, für das die Ausstatterin Gesine Kuhn ebenso einfache
wie starke Bilder gefunden hat – ob es die schwebenden Häuser der
Munchkins sind oder das Feld aus riesigen Mohnblumen, der
Zaubererpalast, der die Menschen klein aussehen lässt oder der
Hexenthron mit gehörntem Schädel, von dem aus Gabriele Drechsel
lustvoll nach den Zauberschuhen giert, die Dorothy der toten
Hexenkollegin abgenommen hat.
Die Hexe wird zur Hölle fahren,
aber auch das wird nicht so gruselig vorgeführt, dass man sich
fürchten könnte; das Theater empfiehlt die Aufführung für
Zuschauer ab fünf. Deren Sympathie gehört vor allem der Heldin
Dorothy, denn Diana Wolf porträtiert ein zur Freundschaft begabtes
Kind, das bei allen eigenen Sorgen die Nöte der anderen nicht
übersieht. So kommt sie zu ihren Freunden, die mit einem fröhlichen
Lied von Szene zu Szene wandern – der Vogelscheuche von Stefan
Schuster, der ohne stützende Stangen den Körper lustig
zusammensacken lässt, dem rostgefährdeten Blechmann, dem István
Vincze zackige Bewegungen und ein weiches Gemüt schenkt, dem Löwen
von Margit Schulte-Tigges, die mit dunkler Brille den verzagten
Bodyguard der lustigen Truppe spielt. Den Zauberer von Oz spielt
Antonio Lallo als melancholischen Taschenspieler, dem die einfachsten
Tricks nicht mehr gelingen.
Aber er muss ja auch gar nicht
zaubern. Mut, Herz und Verstand sind in uns, wir müssen sie nur
entdecken. Auch die Geborgenheit bei Onkel und Tante entdeckt das
Waisenmädchen Dorothy erst, als es sich für eine angstvolle Nacht
fortgeträumt hat. Fantasie hilft bei der Stärkung des
Selbstbewusstseins: Keppels Inszenierung lässt die Botschaft des
Kinderbuch-Klassikers nicht aus den Augen, aber sie vertreibt jede
pädagogisierende Betulichkeit mit der sympathischen Waffe des
Witzes. Dafür sorgt schon der nette Toto.
„Der Zauberer von Oz“: Sauberer zum Zauberer, DE, 29.11.2012:
"...aber dass am Staatstheater die Geschichte des „Zauberers von Oz“ in gerade mal 70 Minuten erzählt werden konnte, lag vor allem an der zielstrebigen, gleichwohl detailfreudigen Inszenierung Ina Annett Keppels."
Glückliche Zeiten
© b. aumueller
von Alan Ayckbourn, Staatstheater Darmstadt
Inszenierung: Ina Annett Keppel, Bühne und Kostüme: Martin Apelt
mit Aart Veder, Sonja Mustoff, Andreas Vögler, Stefan Schuster, Iris Melamed, Diana Wolf, István Vincze
Pressestimmen:
Im Vernichtungskreis der Mutter, Matthias Bischoff, FAZ,17.04.2011:
Es ist ein Vergnügen, private Katastrophen zu sehen: Alan Ayckbourns Komödie „Glückliche Zeiten“ am Staatstheater Darmstadt.
Fröhlich geht es zu beim Geburtstagsessen der Unternehmerfamilie Stratton. Die beiden Söhne sind gekommen, haben Frau und Freundin mitgebracht und vergessen für einen Abend, dass es hinter der blendenden Fassade der Familie, wie sollte es auch anders sein, ausgesprochen düster aussieht. Schon die rot eingefärbte Bühne im Kleinen Haus des Staatstheaters Darmstadt, die Schauspieldirektor Martin Apelt gestaltet hat, mit all ihren Schrägen und asymmetrischen Linien lässt ahnen, dass bei den Strattons nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Das ist eine banale Wahrheit über die meisten Familien, doch wie Alan Ayckbourn sie in etwas mehr als zwei Stunden subtil entfaltet, macht den Reiz dieser zu Unrecht selten gespielten Gesellschaftskomödie aus. Der entscheidende Kniff Ayckbourns ist die Aufsprengung der Chronologie. Er stoppt die Erzählung des Abends in dem Moment, in dem die beiden Söhne mit ihren Partnerinnen das Lokal verlassen. Wie eingefroren bleiben die Eltern Gerry (Aart Veder) und Laura (Sonja Mustoff) an einem Ende des Tischs sitzen, während der ältere Sohn Glyn (Andreas Vögler) und seine Frau Stephanie (Iris Melamed) am unteren Ende Platz nehmen und sich darüber unterhalten, was am Abend nach der Feier geschah: Die Eltern hatten einen Autounfall und Gerry starb. Nach diesem Schwenk in die Zukunft spult Ayckbourn die Zeit zurück und erzählt, wie der jüngere Sohn Adam (Stefan Schuster) seine offensichtlich nicht standesgemäße Freundin Maureen (Diana Wolf) kennenlernte und sie zum peinlichen Entsetzen der Mutter zu deren Geburtstagsessen mitbrachte.Im Hin und Her zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen dem tragisch endenden Essen im Lokal, seiner Vorgeschichte wie seiner Folgen, lotet Ayckbourn die Abgründe der Familie aus, erzählt er von ihrer Unfähigkeit, die in Tischreden beschworenen „Glücklichen Zeiten“ auch wirklich zu erleben. In dem fortgesetzten Gespräch zwischen den Eltern im Lokal wie in den aus Missverständnis, Lüge und Betrug bestehenden Kurzszenen der Söhne schält sich mehr und mehr die Familienmutter Laura als Quelle des allgemeinen Unglücks heraus, ein Unglück, vor dem allein Gerry bis zum letzten Abend seines Lebens die Augen verschloss.Dominant und gefühlskalt ist diese Laura, die Sonja Mustoff mit gouvernantenhafter Härte spielt, eine Frau, die offen nicht nur einen lange zurückliegenden Seitensprung gesteht, sondern auch wie nebenbei zugibt, den älteren Sohn Glyn nie geliebt zu haben und sich vor dem kleinen Enkelkind zu ekeln. Sohn Adam hingegen will sie nicht loslassen und hält ihn trotz seiner 24 Jahre für lebensuntüchtig. Kein Wunder, dass der zarte Ästhet am Ende ohne Freundin dasteht und die neu angeschafften Hunde der selbstzufriedenen Witwe Laura hütet. Aus Glyn hat die Lieblosigkeit seiner Mutter indes einen hohlen Gernegroß gemacht, er verlässt seine Frau, verliert seinen Job, verliert auch die neue Freundin wieder, nur in seinen Sprüchen bleibt er ein toller Hecht.Dem dunklen weiblichen Machtzentrum dieser Familie hat Ayckbourn die sich vom Anhängsel zur selbstbewussten Frau emanzipierende Stephanie und die ebenso überdrehte, wie naiv-herzensgute Maureen gegenübergestellt. Sie werden bezeichnenderweise beide von Laura abgelehnt und können sich wahrhaft glücklich schätzen, dem Vernichtungskreis dieser Matrone entkommen zu sein. Alles in dieser Komödie ist traurig, keiner ist glücklich, und doch ist es ein großes Vergnügen, diesen privaten Katastrophen zuzusehen. Ina Annett Keppels Inszenierung setzt ganz auf den Komödienton und gibt zudem durch die Auftritte der diversen Kellner (immerzu köstlich überdreht: IstvánVincze) dem Publikum reichlich Lachanlässe. Bei aller drastischen Komik nimmt sie die Figuren aber ernst und spürt tiefe Wahrheiten auf, die der stets sehr genau hinsehende Gesellschaftssatiriker Ayckbourn auf der schillernden Oberfläche seiner brillanten Dialoge versteckt. Denn inmitten all dieser gescheiterten Figuren gibt es dann eben doch die kleinen Momente des Glücks, gibt es neben den Lügen und Vorspiegelungen Augenblicke der Wahrhaftigkeit, einen Kuss, einen Händedruck, ein Verstehen über die Abgründe hinweg – hier wird die Komödie ganz ernst, und traurig betrachtet man die für Sekunden Glücklichen auf der Bühne und ahnt: Sie spüren es nicht.
Glückliche Zeiten am Staatstheater Darmstadt, Britta Steiner-Rinneberg, GAZ 03.05.2011:
Dass die Ehen der jungen Leute, von denen keiner den anderen mit Bissigkeiten und Verachtung verschont, schiefgehen müssen, liegt auf der Hand. Das Publikum erlebt den flüchtigen Moment scheinbaren Glücklichseins aller mit großem Vergnügen. Lebhafter, langer Applaus der amüsierten Zuschauer für alle an dieser »Familienschlacht« Beteiligten.
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Myspace Invaders
Rollenspiele mit Online-Identitäten, Theater Freiburg
Inszenierung und Ausstattung: Ina Annett Keppel, Michael Kaiser
Pressestimmen:
"Soziale
Netzwerke im Internet sind aus dem Leben junger Menschen nicht mehr
wegzudenken: Kaum einer, der nicht auf Facebook, Myspace, Schüler-
oder Studi- VZ ein persönliches Profil angelegt hat und täglich
chattet, bloggt oder postet. Aber wo sind die Risiken und Grenzen
dieser Netzgemeinschaften? Um das herauszukriegen, haben zwanzig
Jugendliche zwischen zwölf und 26 Jahren bei einer Art virtuellem
Versuchslabor im Theater Freiburg mitgemacht und sich nach
gründlichen Recherchen mit fiktiven Online-Identitäten ein Jahr
lang bei unterschiedlichsten Communities herumgetrieben (Leitung und
Ausstattung: Ina Annett Keppel, Michael Kaiser). Ein hochspannendes
Experiment à la Günter Wallraff, dessen Ergebnisse jetzt in der
Szenen-Collage "Myspace Invaders" auf die Werkraumbühne
kamen.
Monitore und Tastaturen gibt es hier keine, dafür ein
großes, grünes Billardfeld mit Bande, dahinter eine Leinwand, auf
die wichtige Infos zu den jeweiligen Netzwerken projiziert werden.
Ansonsten übersetzt man mit gebastelten Requisiten aus Pappe
ausgesprochen pfiffig die digitale Welt analog auf die Bühne: Im
Google-Büro wirft einer in rasendem Tempo mit Papieren um sich,
immer wieder drängelt sich Werbung in die Szene, die User kauern in
selbst gebastelten Profilhäuschen und bekleben ihre Pinnwände.
Datenübertragung findet mit Tönen oder neonfarbenen Gummibändern
statt, ständig trällert jemand "Online!" oder legt sich
mit einem knappen "Off" schlafen. Das hat in seinem
Wiedererkennungswert jede Menge Witz und Dynamik.
Nach und nach
treten einzelne Spieler an den Rand der Bühne und erzählen von
ihren Erfahrungen, die es dann als pointiertes Rollenspiel zu sehen
gibt: Da ist eine, die sich als Psychologiestudent in Mannheim
ausgibt und ihre Chatpartner davon überzeugt, dass man sich wirklich
schon begegnet ist. Eine andere meldet sich bei Elitepartner.de als
Klempner mit Hauptschulabschluss an – und bekommt auch gleich
wieder den Account gelöscht. Auf der Teenie-Chat-Plattform
knuddels.de bekommt der Theater-Avatar zwar jede Menge Sorgen mit,
merkt aber bald, dass viele davon genauso ausgedacht sind wie die
Identitäten dahinter. Beim Chatroulette oder der Singlebörse
uppz.com kommt es haufenweise zu bizarren Begegnungen und
sexistischen Anmachen. Überhaupt ist das Resümee der
Internetdetektive ausgesprochen desillusionierend: Kontakte sind
oberflächlich und austauschbar, Beziehungen rutschen ins
Übergriffige oder gar Bedrohliche, persönliche Daten entgleiten
einem. Nur eine konnte die Anonymität wirklich nutzen und stellte
als fiktiver Poetryslammer erfolgreich Texte ins Netz. –